Der Sinn und Zweck von Gastfreundschaft

Ich war im Februar im Zuge einer Dienstreise zu Gast im Bibelhaus in Frankfurt. Wer noch nicht da war, es lohnt sich.

Zwei Personen unserer Tagung schlüpften in die Kleidung von Nomaden. Wie lebten Nomaden vor über 2000 Jahren? Nun wir können es nur vermuten, da Nomaden alles verwertet haben und somit wenig archäologische Fundstücke entdeckt wurden. Unter anderem war im Museum ein vermutlich über 2000 Jahre alter Mahlstein für Getreidekörner entdeckt worden.
Unsere Gruppe saß in diesem Nomadenzelt. Es gab erhöhte Sitzkissen für die Männer und Flache für die Frauen. Das Zelt war mit Teppichen ausgelegt und in der Mitte gab es einen Vorhang, den man schließen konnte. Wenn Gäste kamen, wurde dieser Vorhang geschlossen, um die Frauen und Kinder vor den Blicken der Gäste zu schützen. Denn Nomaden waren sehr gastfreundlich. Wenn Menschen auf der Durchreise als Gast bei einer Nomadenfamilie blieben, wurde das beste Vieh geschlachtet und um zu vermeiden, dass der Gast ein Auge auf Frau und Kind wirft, wurden sie voneinander getrennt. Eigentlich ziemlich viel Aufwand für die Gastfreundschaft. Warum haben es die Nomaden dennoch gemacht?

Nun es gab kein Internet, Zeitung, Fernsehen oder Telefon, um zu wissen, was um einen herum passiert. Um zu wissen, wo es vielleicht politische Unruhen gibt, war man auf die Durchreisenden und ihre Geschichten angewiesen. Es war ihr Ohr in die Welt und überlebenswichtig.
Wenn ich an Gastfreundschaft heute denke, fällt mir sofort die Communauté in Taizé ein.

Tausende Menschen aus der ganzen Welt kommen jährlich in dem kleinen Dorf im französischen Burgund zusammen. Dieser Ort ist seit Mitte des 20. Jahrhunderts Heimat einer christlichen Gemeinschaft (Communauté), die sich vor allem für Frieden, Gerechtigkeit und Versöhnung einsetzt. Ein ganz besonderer Ort der Gastfreundschaft. Gemeinsam leben, arbeiten und beten. Ich freue mich sehr nach vielen Jahren in den Herbstferien endlich wieder eine Fahrt dorthin anbieten zu können.

Letzten Sonntag lud ich ganz spontan meine Nachbarin zum Kaffee ein. Wir führen sonst immer nur kurze Gespräche im Treppenhaus und als sie in der Reha war, nahm ich ihre Post entgegen. Zeit für einen Kaffee und ein längeres Gespräch haben wir uns nie genommen, obwohl wir Tür an Tür wohnen. Ich schrieb ihr eine Nachricht, ob sie nicht spontan Lust hätte, nachher rüberzukommen und wir hatten einen tollen Austausch mit tiefen Gesprächen. „Warum habe ich das nicht schon früher gemacht“ schoss es mir durch den Kopf, als ich sie verabschiedete und die Tür ins Schloss fiel.
Das Leben Jesu beginnt mit einem Mangel an Gastfreundschaft, denn er wird nirgendwo aufgenommen und in einer Krippe geboren. Gott wird Mensch und findet zunächst keinen Platz in dieser Welt. Als Erwachsener lädt Jesus immer wieder Menschen dazu ein, das Leben mit ihm zu teilen und ihn zu begleiten. Als Jesus durchs Land zog, war er immer wieder auf die Gastfreundschaft anderer angewiesen. Gleichzeitig tritt Jesus auch als Gastgeber auf. Er versorgt die hungernden Menschenmassen und lädt zum Abendmahl ein. Der gesamte Lebensstil Jesu war einladend und den Menschen zugewandt. Jesus hat mit Zöllnern und Sündern so oft gegessen, dass er als „Freund von Schlemmern und Säufern“ verunglimpft wurde. Er hatte keine Angst davor, die falschen Gäste zu haben.

All diese Geschichten aus der Bibel oder von uns selbst, die wir im Alltag erlebten, zeigen Gastfreundschaft als ein Schlüssel für tiefe Gemeinschaft. Tiefe Beziehungen entstehen nicht im öffentlichen Raum, sondern im privaten Zuhause. Eine Einladung zum Kaffee wie bei meiner Nachbarin schafft Brücken zu bauen. Ich wünsche uns, dass die Motivation und Kraft, gastfreundlich zu sein nicht aus Pflichtbewusstsein und guten Vorsätzen herkommt, sondern aus einem Herzen, das von der Gastfreundschaft und Liebe Gottes tief bewegt ist. Dann, davon bin ich überzeugt, wird es mit Sicherheit eine bereichernde Freude für unseren Alltag sein.

Farina Köpke
Pädagogische Leitung, Geschäftsführung und Jugendpolitik | Mehr Beiträge anzeigen

Ich bin Bildungsreferentin im Landesjugendpfarramt Oldenburg und pädagogische Leiterin des Landesjugendpfarramts. Du erreichst mich per Mail (farina.koepke@ejo.de), per Telefon (‭01754358127) oder auf den Kanälen der Evangelischen Jugend (Moin!App, ejoPRO).