Ehrenamtliche*r? Die Eierlegende Wollmilchsau
Am zweiten Wochenende im Oktober fand das dritte Wochenende des LEIV Projekts statt – eine Schulung für Ehrenamtliche, die Lust haben in Leitungspositionen Verantwortung zu übernehmen. Es ging thematisch um die eigene Person, die eigene Persönlichkeit, die man schon kennen sollte, sofern man vor hat andere Menschen in einem ehrenamtlichen Team zu führen. Und natürlich stellen sich dabei auch Stärken und Schwächen heraus: Was kann ich gut? – Wo brauche ich Unterstützung von anderen? – Was gebe ich lieber in kompetentere und talentiertere Hände ab?
Die Sau
Und wieder mal kam mir die Frage in den Sinn: Was leisten eigentlich Ehrenamtliche in unserer Arbeit mit Kindern und Jugendlichen? Was tun sie alles dafür, dass eben diese Arbeit voran geht, es Projekte sowie Aktionen gibt, und wir alle uns weiterentwickeln?
Ehrlich gesagt: Sau viel! Zeitaufwand, Energieaufwand und das alles neben dem Alltag in Schule und Beruf, zwischen Familie und Freunden und evtl. sogar noch weiteren ehrenamtlichen Engagements in anderen Feldern. Sau viel also! Da ist sie also, die Sau aus der Eierlegenden Wollmilchsau.
Die Eier
Und dann erwarten wir, dass unsere Ehrenamtlichen die tollsten und innovativsten Ideen haben, sich selbst neue Dinge ausdenken, um sich entfalten zu können und das mit unserer hauptamtlichen Begleitung schon hinbekommen. Aus ihren Ideen, die sie am besten wie Eier legen, schlüpfen die Projekt-Küken und werden schließlich zu ausgewachsenen Hühnern, als Projekten und Aktionen, die sie und wir stolz vorzeigen können. Ah ja, Eier legen sollen die Ehrenamtlichen also auch noch, da sind sie also, die Eier aus der Eierlegenden Wollmilchsau.
Die Wolle
Wolle, ja ich spinne mal weiter, Wolle: Wie oft sagen wir als Hauptamtliche den ehrenamtlich Engagierten, dass sie auf sich achten sollen, auch mal Pausen brauchen, sich Zeit nehmen und in eine warme Wolldecke einwickeln sollen. Die Aktionen machen dann eben andere Ehrenamtliche, welche, die vielleicht gerade lieber frische neue Ideen-Eier legen. Und wir selbst als Hauptamtliche? Machen wir eigentlich mal Pause unter der warmen Wolldecke? – Sind wir da Vorbilder für die Engagierten? Ich habe da manchmal, zumindest was das betrifft, so meine Zweifel. Da ist sie also, die Wolle der Eierlegenden Wollmilchsau.
Die Milch
Und dann geben Ehrenamtliche noch überall ihren Senf dazu, wollen mitbestimmen, ihre Wünsche und Ziele einbringen und schließlich umsetzen. Das ist manchmal so gar nicht im Interesse derjenigen, die beruflich mit ihnen zusammenarbeiten müssen. Es hält auf, sorgt dafür, dass eigene Pläne durchkreuzt werden usw. Und doch ist es gerade von uns dann die Aufgabe dies zu fördern, die Ehrenamtlichen zu unterstützen und gegen alle Widerstände uns für sie einzusetzen. Ehrenamtliche arbeiten viel an sich, engagieren sich gerade, weil sie sich selbst einbringen wollen, was vielleicht in anderen Bereichen ihres Lebens so in der Form nicht möglich erscheint. Sie geben ihre Milch dazu, auch um zum einen uns Hauptamtliche und zum anderen ihren Verband zu stärken. Denn Milch stärkt bekanntlich nicht nur die müden Knochen. Da ist sie also, die Milch der Eierlegenden Wollmilchsau.
Die Eierlegende Wollmilchsau
Wenn man das liest, wird deutlich, was Ehrenamtliche in ihrer Freizeit alles zu leisten im Stande sind und dies auch gerne tun, das steht für mich außer Frage. Wenn sie selbst Eierlegende Wollmilchsäue sein wollen… gerne!
Aber: Was sind die Ansprüche von Hauptamtlichen? – Und das beziehe ich nicht nur auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in unserer Kirche, sondern auf viele Arbeitsbe-reiche, in denen sich Erwachsenen engagieren.
Dürfen wir das alles so erwarten? – Sind die Erwartungen vielleicht an vielen Stellen nicht auch zu hoch? – Machen wir als Mitarbeitenden Ehrenamtliche nicht häufig erst zu Eierlegenden Wollmilchsäuen und geben immer mehr solche Aufgaben an sie ab, die unter Umständen gar nicht zu ihnen passen? – Wäre es nicht viel praktischer, wenn wir Hühner, Schafe, Kühe und Schweine als Ehrenamtliche hätten, die alle ihre Aufgaben machen, die sie gut können? – Natürlich meine ich das im übertragenen Sinne. Ihr ahnt es schon: Da ist sie also, die Eierlegende Wollmilchsau.
Ich finde darüber lohnt es sich nachzudenken: Wohin soll die Reise gehen in unseren kirchlichen Ehrenämtern und im Besonderen in der Arbeit mit Kindern und Jugendli-chen? Diese und weitere Fragen zu uns als Institution und zu unserer Person sollten weiter gestellt werden, und das nicht nur mit und unter hochmotivierten jungen Ehrenamtlichen bei einem LEIV Schulungswochenende im Oktober.
Björn Kraemer
Ich bin Bildungsreferent für Ehrenamtsmanagement sowie Kindeswohl und Prävention sexualisierter Gewalt im Landesjugendpfarramt Oldenburg. Du erreichst mich per Mail (bjoern.kraemer@ejo.de), per Telefon (0160 5571470) oder auf den Kanälen der Evangelischen Jugend (Moin!App, ejoPRO).