Feier das Leben! – Gedanken zum Reformationstag

„Feier das Leben!“

Ja, das meine ich absolut ernst: Feier das Leben. Hier, jetzt, heute und ab sofort!

„Wie kannst du das nur sagen?“, höre ich die lauten und auch leisen Stimmen fragend, derer, die mich gerade hören.

Bei all dem Leid in der Welt? Den Ereignissen im Iran, den Kriegen dieser Welt, den Existenzängsten vieler Menschen in unserem Land aufgrund der hohen Preise, den Verlusten der Menschen in der Ukraine, der Klimakrise?

Es gibt derzeit unsäglich viele Gründe, warum wir wohl alles können, aber sicherlich das Leben nicht feiern. Irgendwie scheint unser christlich-moralischer Kompass das zu verbieten.

Statt das Leben zu feiern, sollten wir uns doch stark machen, für Gerechtigkeit, Klimaschutz, Frieden, Nächstenliebe und denen helfen, die gerade besonders stark betroffen sind von den Auswirkungen der vergangenen Monate.

Vor einiger Zeit habe ich eine Andacht zu dem Vers aus LK 22, 42 gehalten.
„Jesus kniete nieder, betete und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“

In dieser Andacht stellte ich mir die Frage, wohin sich eigentlich gerade unsere Welt bewegt oder viel mehr, in welche Richtung die Menschheit sich gerade entwickelt. Kanzler Olav Scholz sprach in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag im Februar dieses Jahres von einer Zeitenwende. Sehr verkürzt hier dargestellt halte ich am Ende meiner Gedanken zur Andacht fest: Ja! Die Menschheit braucht eine Wende; eine Richtungskorrektur; einen Impuls, den Fokus des Lebens neu auszurichten!

Jesus ist genau dafür gestorben. Nur scheinen wir Menschen es wieder vergessen zu haben. Sein Tod am Kreuz ist die Brücke, unseren täglichen Fokus neu auf Gott ausrichten zu können. Damit wir Gottes Willen wahrnehmen können. Irgendwas muss ja dran sein, wenn selbst Jesus am Ende seines Gebetes im Garten Getsemani für sich feststellt: „Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“

Gottes Wille scheint mir – soweit ich ihn erfassen kann – klar zu sein: Ein Leben aus seiner Gnade heraus, die uns frei macht von Macht, Gier, Neid, Hass und Leid. Sein shalom  – sein tiefer Friede- soll diese Welt füllen.

Und wir sollen, ja wir dürfen unsere Zeit auf dieser Erde dafür einsetzen, dass sein Plan für uns umgesetzt wird. Wie aber können wir Teil dieses Planes werden? Wie also verdienen wir uns diese Gnade, wenn es doch so scheint, als würde das, was wir tun, nicht reichen?

Montag haben wir den Reformationstag gefeiert. Nun ja, wie auch immer die persönliche Feier aussah. Vielleicht haben wir uns erstmal auch nur über einen weiteren freien Tag gefreut.

Ich persönlich nutze die Tage vor und nach einem kirchlichen Feiertag ganz gerne, um mich ganz gezielt mal wieder mit dem Sinn dieser Tage zu befassen.

Zwei wesentliche Erkenntnisse der Reformation waren die „sola fide“ und „sola gratia“. Also allein aus Glauben und allein aus Gnade werden wir vor Gott gerecht. Es sind nicht die Taten, die uns zu guten Menschen werden lassen. Es sind zuallererst  der Glaube und die Gnade, die uns zu guten Taten bewegen! (Vgl. Röm. 3, 21 ff)

Da ist sie wieder, die Richtungskorrektur, der Impuls, der unseren Fokus verändern soll. Allein der Glaube, allein die Gnade! Das, was wir tun kann reichen! Zumindest dann, wenn wir uns dabei von Gottes Willen leiten lassen.

Auch ich persönlich spüre die Auswirkungen der letzten Monate. Beim Einkaufen, an der Zapfsäule, in den vielen Gesprächen über den Ukrainekrieg und auch in meinem Gefühl ohnmächtig dem gegenüberzustehen, was noch alles auf uns zukommen mag. Niemals größer habe ich den Eindruck gehabt, dass das, was mein Leben beeinflusst, nicht vollends kontrollieren zu können. Psychologisch betrachtet ein Zustand, der uns Menschen stark herausfordert. Ein Zustand, den ich für mich nicht akzeptieren möchte!

Denn genau in diese Zeit dürfen wir uns an die Gnade und den Zuspruch Gottes erinnern. Wir dürfen Teil von Gottes Plan für diese Welt sein. Dürfen daran mitwirken, seinen Frieden in diese Welt zu tragen. Nicht aus einem christlich-moralischen Kompass, sondern aus Gottes Liebe zu uns und seiner Schöpfung heraus.

Also setze ich meinen Fokus neu, schaue auf Gott und bin dankbar: Für die Ruhe der Nacht, den neuen Tag. Für die Sterne am Himmel und die wärmende Sonne. Für die Menschen, die ich um mich haben darf und für die Erinnerung an jene, die schon heimgegangen sind. Ich schaue nach vorn – und ehrlicherweise noch immer nicht ohne Sorge; aber: Ich beginne das Leben neu zu feiern!
Aus Dankbarkeit für all das, was ich bis heute erleben durfte. In Hoffnung auf das, was Gottes Gnade mir noch schenken wird.

Und so lade ich uns dazu ein, den Moment zu genießen. Das Leben zu spüren und es zu feiern. Hier, jetzt, heute und ab sofort!

Amen

Hausandacht der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg am 1. November 2022 von Marc Gobien

Marc Gobien
CVJM Landessekretär | Mehr Beiträge anzeigen

Ich bin Bildungsreferent im Landesjugendpfarramt Oldenburg und CVJM Landessekretär. Du erreichst mich per Mail (marc.gobien@cvjm-oldenburg.de) oder per Telefon (0157 58980163).