Ihr Kinderlein kommet … in Bewegung – Zeit für eine Mobilitätswende

Auf der Titelseite einer regionalen Tageszeitung las ich vorgestern die Aufforderung „Kinder, kommt in Bewegung“. Es ist so: Kinder – und Jugendliche – bewegen sich mittlerweile viel zu wenig. Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) empfiehlt mindestens eine Stunde intensive Bewegung pro Tag und diese eine Stunde Bewegung haben die allerwenigsten. Es ist paradox: wir leben in einer der reichsten und mobilsten Gesellschaften der Welt und die heranwachsende Generation verbringt ihren Alltag in Bewegungs-Armut! Kinder mit niedrigem sozio-ökonomischen Status und Mädchen sind besonders betroffen. Sie verlieren damit wichtige Grundlagen für körperliche und psychische Gesundheit, für Selbstwirksamkeit und kognitive Leistungsfähigkeit, für – relativ konsumfreies – Wohlbefinden.

Wir gewöhnen uns als Einzelne und gesellschaftlich immer mehr an, unseren Bewegungsbedarf von Maschinen, vor allem von PKW, Bussen, Bahnen und neuerdings von E-Bikes und E-Scootern erledigen zu lassen. Und je mehr wir unseren Alltag beschleunigen, je schneller wir von A nach B kommen, desto weniger benutzen wir unsere Muskulatur dafür. Das leben wir Älteren den Jüngeren und Jüngsten vor. Für sie ist dieser allgemeine Bewegungsmangel normal geworden und somit nicht als Mangel wahrnehmbar, als etwas, das einem selbst fehlt. Die Kinder und Jugendlichen dafür anzuprangern und an ihre Motivation zu appellieren, doch mehr Sport zu treiben statt am Tablet oder Smartphone „zu hängen“, finde ich wenig hilfreich.

Es wird Zeit für eine – im wahrsten Sinne des Wortes – Mobilitätswende. Holen wir uns unsere Mobilität zurück! Holen wir die eigene körperliche Bewegung wieder in unseren privaten und kirchlichen Alltag: Wege zur Arbeit, Uni, Schule, Kita immer öfter ohne Motorantrieb zurücklegen, möglichst jenseits autogefüllter Straßen und dafür mit mehr Zeit an der frischen Luft. Alltägliche Aufgaben selbst mal wieder ohne strom- oder benzinbetriebene Hilfsmittel erledigen: Blätter mit einem Besen von der Auffahrt fegen oder den Kuchenteig mit dem Rührlöffel rühren.

Wir können Bewegungs- und sportliche Angebote als Teil der kirchlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen entwickeln und auch mit Sportvereinen kooperieren. Englische Kolleg*innen machen es uns vor: kommunale Yoga-Gruppen mit Grundschulkindern in ihrem schulischen Alltag kommen gut an. Auch Bewegungsspiele und Challenges per Spielekonsolen und Apps sind eine gute Ergänzung.

Bei unseren regelmäßigen Angeboten selbstverständlich immer Bewegungssequenzen einbeziehen: Spiele, Tänze, Challenges. Bis hinein in unsere Gottesdienste ist das möglich: Geschichten, Psalmen, Gebete, Lieder – all das lässt sich immer wieder mit Bewegungen verbinden. Und dabei werden die Kinder am besten selbst kreativ und entscheiden über Bewegungselemente. Ein hervorragender Raum für Bewegung ist die Natur – mit Sonnenlicht, Frischluft und unbefestigten Böden oder auch natürlichen Klettermöglichkeiten. Und ein bewegungsorientierter Gottesdienst mit Kindern hat hier auch seinen allerbesten Platz!

Bei allem: auf den gemeinsamen Spaß kommt es an. Denn es ist wichtig, dass sich in Gemeinschaft erlebte Bewegung und Sport mit positiven Gefühlen verbindet. Das erhöht – wie auch bei vielen anderen Erfahrungen – die Wahrscheinlichkeit, dass Bewegung, Spiel, Tanz oder Sport auch im späteren Leben als sinnvoll und mit Freude erlebt wird.

Kirchliche Angebote für Kinder und Jugendliche bieten oft Raum für Erfahrungen, die Kinder ansonsten im alltäglichen familiären, Kita- oder schulischen Umfeld nicht mehr machen können. In Corona-Zeiten sind viele neue Angebote entstanden, die auf die besonderen Bedürfnisse von Kindern unter den gegebenen Bedingungen eingingen. Nehmen wir jetzt die allgemeine Bewegungs-Armut ernst und kommen wir den Kindern – und uns selbst – mit vielfältigen, kreativen Bewegungsangeboten entgegen!

Anregungen für bewegte Psalmen bieten z.B. die Psalmübertragungen „Dir kann ich alles sagen, Gott“ – gerade frisch erschienen in überarbeiteter Neuauflage vom Rheinischen Verband für Kindergottesdienst. Besonders schön finde ich die Übertragung zu Psalm 47 „Springt vor Freude in die Luft“, die auch zur Advents- und Weihnachtszeit passt:

„Singen und Jubeln sollen nicht aufhören.
Die alten Lieder klingen neu.
Neue Töne werde angeschlagen.

So soll die ganze Welt Gott zujubeln. Macht mit!
Springt in die Luft vor Freude!
Klatscht in die Hände!
Ruft: ‚Hurra!‘“

Eva Brunken
Kindergottesdienst / Kirche mit Kindern | Mehr Beiträge anzeigen

Ich war Bildungsreferentin im Landesjugendpfarramt Oldenburg und Beauftragte für Kindergottesdienst der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg.