Ist die Kirche krank?

Andacht zum Start der 1. außerordentlichen Tagung der 49. Synode der Ev.-Luth. Kirche in Oldenburg von Björn Kraemer

Ist die Kirche krank?

  • Was ist eigentlich los mit unserer Kirche?
  • Verstehen wir alle unsere Kirche noch?
  • Was wollen wir aktiv in ihr gestalten?

Fragen über Fragen, die sich nicht nur im Oberkirchenrat jeden Tag gestellt werden, sondern die sich die Synode und viele Menschen in der Gesellschaft genauso stellen.

Bibeltext: Numeri (4. Mose) 11,1a. & 10-15 nach Luther 2017

Und das Volk wehklagte vor den Ohren des Herrn, dass es ihm schlecht gehe. (…)
Als Mose das Volk nun weinen hörte, alle Geschlechter miteinander, einen jeden in der Tür seines Zeltes, da entbrannte der Zorn des Herrn sehr. Und auch Mose verdross es.
Und Mose sprach zu dem Herrn: Warum bekümmerst du deinen Knecht? Und warum finde ich keine Gnade vor deinen Augen, dass du die Last dieses ganzen Volks auf mich legst?
War ich denn schwanger mit all dem Volk und habe es geboren, dass du zu mir sagen könntest: Trag es in deinen Armen, wie eine Amme ein Kind trägt, in das Land, das du ihren Vätern zugeschworen hast?
Woher soll ich Fleisch nehmen, um es all diesem Volk zu geben? Sie weinen vor mir und sprechen: Gib uns Fleisch zu essen.
Ich vermag all das Volk nicht allein zu tragen, denn es ist mir zu schwer.
Willst du aber doch so mit mir tun, so töte mich lieber, wenn anders ich Gnade vor deinen Augen gefunden habe, damit ich nicht mein Unglück sehen muss.

Puh, Mose ist ganz schön platt, wenn man ihn hier so reden hört, man könnte auch genauso gut sagen: Mose hat Burn-Out. Neuerdings hat man ja Burn-Out. Das klingt einfach viel besser als: Mose leidet an Depressionen oder Mose ist psychisch angeschlagen oder Mose bricht zusammen und muss in die Klinik.

Weil Burn-Out haben nämlich die Guten. Burn-Out haben die, die zu viel gearbeitet haben, sich aufgeopfert haben, persönliche Bedürfnisse zurückgestellt haben. Zum Beispiel die Manager*innen oder die Spitzensportler*innen oder die Pastor*innen oder die Diakon*innen oder die Verwaltungsmitarbeitenden oder die Mütter oder Väter mit Teilzeitjob und Vollzeithaushalt.

Burn-Out haben die Guten. Diejenigen, die sich für alles zuständig fühlen und ohne die tatsächlich auch nichts ginge, diejenigen, die die Welt retten und nebenbei noch 178 Mails checken. Diejenigen, die versuchen die Kirche zu retten und die Firma und die Familie.

Burn-Out haben die Guten. In einer Welt, in der selbst auf dem Werbeflyer für den Wellness-Tempel steht: Sie haben es sich verdient!

Sauna, Entspannung, Massage und in-die-Luft-gucken ist nämlich auf keinen Fall etwas für alle, sondern eben nur für die, die es sich verdient haben.
Mit harter Arbeit vorher bitte sehr und gefälligst! Das gehört sich so!

Und manchmal denke ich: Unsere Kirche zählt zu den Guten und hat auch Burn-Out.

Ihr ist das alles zu viel. All diese Anforderungen, die ganze Verantwortung und das Neue und das Alte und die ganzen Menschen.
Einige wollen zurück in die goldenen Zeiten, als alles noch in Ordnung war und sonntags die Kirche voll, genauso wie die Kandidierenden-Liste für die nächste GKR Wahl.
Andere meinen, wenn nur der und die und alle sich ein wenig mehr anstrengten, dann kämen diese Zeiten wieder.
Und wieder andere wollen alles anders und neu haben. Sie wollen eine Kirche, in der sie sich wohlfühlen. Und wieder andere brauchen die Kirche gar nicht mehr.
Ja, das ist alles sehr viel!

Und damit wir als Kirche dem allen gerecht werden können – denn das müssen wir, wenn wir relevant bleiben wollen –, brauchen wir eine Prophylaxe oder vielleicht schon eine Therapie? Was davon, das vermag ich nicht zu beurteilen, aber ich vermute von beidem ein bisschen. Wir brauchen etwas Neues, wir brauchen viele Schultern, auf die wir die Verantwortung übertragen können und viele Menschen, die Dynamik und Leben erzeugen, anpacken für den – wie es auf einem Buch von Klaus Douglas heißt – Evangelischen Patienten. Und dafür braucht es vielleicht eben auch eine neue Lösung in unserem Dezernat Zwei. Deswegen wagen wir heute einen wichtigen Schritt für unsere Kirche und für die Menschen, die in ihr arbeiten. Denn für die haben wir als Synode eine Verantwortung, der wir gerecht werden müssen.

Und wenn ich auf die beiden Kandidaten für das Amt eines nebenamtlichen Oberkirchenrates schaue, auf ihre Lebensläufe, auf das, was sie ausmacht, so kommt mir doch der 1. Korinther 12, 4-7 in den Sinn:
„Es sind viele Gaben, aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter, aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirkt, alles in allen. Durch einen jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller.“

Ich glaube so müssen wir in der Kirche mehr denken: Lasst uns die Talente und Gaben aller haupt- und, noch viel mehr, der ehrenamtlich Mitarbeitenden noch besser nutzen. Wir brauchen keine eierlegenden Wollmilchsäue, wir brauchen Menschen, die ihre Stärken in der Kirche einsetzen und so die Kirche stark machen. Und ganz nebenbei sind auf diese Weise hoffentlich alle zufriedener, – ich sag nur Burnout-Prophylaxe.

Den Anfang können wir heute machen und ich bin mir sicher, dass der Geist des Herrn uns dabei unterstützen wird. Denn wir alle handeln in seinem Sinne und vertrauen auf ihn und seinen Segen in diesen turbulenten Zeiten für seine und unsere Kirche.

Und glaubt mir: Burnout ist heilbar! Therapien helfen und eine Prophylaxe sorgt dafür, dass er so schnell nicht wieder kommt. Bei Mose ging es weiter und für unsere Kirche wird es weiter gehen, wenn wir denn aktiv handeln. Lasst uns das heute tun!

Amen.

 

Björn Kraemer
Ehrenamtsmanagement, Kindeswohl und Prävention sexualisierter Gewalt | Mehr Beiträge anzeigen

Ich bin Bildungsreferent für Ehrenamtsmanagement sowie Kindeswohl und Prävention sexualisierter Gewalt im Landesjugendpfarramt Oldenburg. Du erreichst mich per Mail (bjoern.kraemer@ejo.de), per Telefon (0160 5571470‬) oder auf den Kanälen der Evangelischen Jugend (Moin!App, ejoPRO).