Wo sich „Doppelgleisigkeit“ lohnt!
Derzeit mache ich eine Weiterbildung zum Sexualpädagogen beim Institut für Sexualpädagogik. Das ist erstmal nichts weiter Besonderes. Schließlich engagiere ich mich beruflich nun schon seit einiger Zeit im Bereich der Prävention sexualisierter Gewalt und da gehören Aspekte aus der Sexualpädagogik und der sexuellen Bildung unbedingt mit dazu. Daher ist es nur logisch, dass ich mich in diesem Bereich weiterqualifiziere.
Doch wie passen Sexualpädagogik, die sich mit gelingender Sexualität im Leben von Menschen beschäftigt, mit der Präventionsarbeit, die sexuelle Gewalt verhindern möchte, zusammen?
In der Ausbildung von Schulungs-Multiplikator*innen habe ich das schon im thematischen Block zum Thema Sexualpädagogik erläutert. Aber mir wird im Laufe meiner Weiterbildung immer mehr das Bild der „Doppelgleisigkeit“ deutlich:
Wenn wir gelingende Präventionsarbeit machen, dann tun wir das natürlich mit Werkzeugen wie bspw. flächendeckenden, verbindlichen Schulungen, Schutzkonzepten usw. Diese setzen bei den Strukturen unserer Institution Kirche an, und reichen weiter in die Kultur des Miteinander Umgehens hinein. Und genau hier liegt die Schnittmenge, denn dieses eine Gleis der Prävention reicht nicht aus. Wir brauchen auch die sexuelle Bildung, um die uns anvertrauten Menschen sprachfähig zu machen, sie zu empowern, ihnen die Kraft zu geben, selbst zu entscheiden, was sie wollen und was sie nicht wollen. Dazu zählen Fähigkeiten, wie Kommunikation, Grenzen setzen können, Aufklärung, Wissen um Ethik und Moral und noch vieles mehr.
Das eine Gleis ist also das, was wir an Rahmenbedingungen schaffen können, um Risiken für sexualisierte Gewalt zu minimieren. Das andere Gleis hingegen setzt in der Arbeit mit den Menschen direkt an und nimmt vor allem diejenigen in den Blick, die sonst eher nicht zu Wort kommen: Kinder, Jugendliche, Junge Erwachsene, Menschen mit Beeinträchtigungen, Senior*innen und weitere Gruppen. Und dieses Gleis möchte ich gerne mit den Chancen und Möglichkeiten im Bereich der sexuellen Bildung in den Fokus rücken. Wir brauchen neben allen strukturellen Überlegungen auch starke und sprachfähige Menschen, um es potenziellen Tatpersonen im Bereich von Kirche und Diakonie schwer zu machen.
Also, auch wenn ich sonst wirklich nichts von Doppelgleisigkeit halte: Hier lohnt es sich allemal! Und vielleicht hast ja auch Du beim Lesen dieser kurzen Zeilen einen Aha-Moment: Denn, wenn wir das ernst nehmen, dann ist klar: Mit der Prävention sexualisierter Gewalt werden wir niemals fertig sein. Sie wird es immer brauchen, und zwar auf beiden Gleisen.

Björn Kraemer
Ich war bis 30. April 2025 Bildungsreferent im Landesjugendpfarramt Oldenburg.